Beim diesjährigen 2. Länderforum Gesundheit der Barmer Landesvertretungen Bayerns und Baden-Württembergs in Günzburg plädierte die Barmer für verbindliche Mindestmengen für bestimmte Operationen sowie Qualitätsvorgaben für Krankenhäuser. In Deutschland gebe es zu viele Kliniken, die das ganze Versorgungsspektrum anbieten würden, von der Mandelentfernung bis zur Wirbelsäulenoperation. Zudem bestehe ein Qualitätsgefälle zwischen den Kliniken.
"Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen und die dafür notwendige Infrastruktur vorhalten. Darunter leiden die Behandlungsqualität und die Wirtschaftlichkeit", sagte Barmer-Vorstand Dr. Mani Rafii. Komplexe chirurgische Eingriffe sollten nur noch in Kliniken erbracht werden, die spezialisiert und durch die medizinischen Fachgesellschaften zertifiziert seien. Die Behandlung von seltenen und schweren Erkrankungen solle zukünftig ausschließlich in Kompetenzzentren erfolgen, in denen Spezialisten fachübergreifend zusammenarbeiten. "Wir müssen weg von der Klink um die Ecke, hin zum Krankenhaus der besten Qualität", forderte Rafii.
Teilweise doppelt so viele Wirbelsäulenoperationen in Bayern
Während bei manchen Krankenhausbehandlungen Mindestmengen nicht erreicht werden, steigen bei anderen Eingriffen die Fallzahlen. So ist die Zahl der Wirbelsäulenoperationen in deutschen Kliniken innerhalb von sechs Jahren um 136 Prozent gestiegen, von circa 97.000 im Jahr 2005 auf etwa 229.000 Eingriffe im Jahr 2011. Dabei ist die Versorgung regional sehr unterschiedlich, besonders auffällig ist dies im Grenzbereich zwischen Baden-Württemberg und Bayern. Demnach entfallen in Teilen Oberbayerns auf 100.000 Personen bis zu 737 Wirbelsäulenoperationen, in Schwaben ist es weniger als die Hälfte. "Der Wohnort darf nicht über eine Operation an der Wirbelsäule entscheiden. Dazu müssen wir nicht nur die Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung überwinden, sondern auch Landesgrenzen", sagte Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer Bayern. Bisher mangele es bei der Versorgungsplanung an einer Abstimmung zwischen benachbarten Bundesländern.
"Die gelebte Praxis in Bayern, den Krankenhausplan von Jahr zu Jahr fortzuschreiben, verhindert eine Anpassung an die Bedarfe einer hochwertigen stationären Versorgung im 21. Jahrhundert", kommentiert die Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern, Dr. Claudia Wöhler. Eine Krankenhausplanung auf der Basis von Leitlinien, Mindestmengen, Struktur- und Qualitätsvorgaben wäre aus Wöhlers Sicht eine wichtige Basis, um zu Strukturveränderungen zu kommen.
Patienten vor Gelegenheitschirurgie schützen
"Die Qualität ist ein Kriterium, das bei der Krankenhausplanung in Baden-Württemberg in Zukunft eine wichtige Rolle spielen muss", ergänzte der Landesgeschäftsführer der Barmer Baden-Württemberg, Winfried Plötze. Dafür seien Mindestmengen unumgänglich. Mindestmengen geben vor, wie oft ein Eingriff in einer Klinik jährlich mindestens vorgenommen werden muss. Dadurch sollen Erfahrung und Routine im Operationssaal steigen. Studien belegen ein geringeres Sterberisiko bei einer Behandlung in einem Krankenhaus, das die Mindestmengen erreicht. Ebenso zeigen die Daten der Krankenkassen, dass die Kliniken die Mindestmengenvorgaben bisweilen nicht erfüllen.
"Mangelnde Erfahrung kann im Operationssaal dramatische Folgen haben. Wir müssen die Patienten vor Gelegenheitschirurgie schützen. Wenn eine Klinik die Mindestmengen nicht erreicht, dann soll sie von der Behandlung ausgeschlossen werden. Dass darf aber nicht dazu führen, dass die Häuser unnötige Operationen durchführen, um die Mindestmengen-vorgaben zu erfüllen", sagte Plötze.
Deutschland nur Mittelmaß
In Bayern ist das Ausgabenvolumen der gesetzlichen Krankenversicherung für die stationäre Versorgung kontinuierlich gestiegen. 2010 betrug es rund 11 Milliarden Euro, zwischenzeitlich beläuft sich das Gesamtbudget auf rund 13,2 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs um 20 Prozent.
Auch in Baden-Württemberg sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für die Kliniken im Land von rund 7,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 9,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 angestiegen. Das entspricht einem Zuwachs um 18 Prozent. „Die Krankenhausbehandlung in Deutschland ist nicht schlecht, aber Input und Outcome halten sich nicht die Waage. Im internationalen Vergleich schneiden wir mittelmäßig ab“, sagte Winfried Plötze. Verbesserungspotenzial in der stationären Versorgung sei vorhanden. „Wir können die Behandlungsqualität in den Krankenhäusern zum Wohle der Patienten steigern, dafür müssen aber alle an einem Strang ziehen – Krankenkassen, Ärzte, Kliniken und die Politik“, appellierte Wöhler.