Kinder kämpfen bis heute mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Gesundheit. Dies gilt insbesondere bei den klassischen Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Scharlach, so ein zentrales Ergebnis aus dem aktuellen Arztreport der Barmer. Demnach ist während der Corona-Pandemie die übliche Scharlach-Welle bei Kindern in der Kita nahezu ausgeblieben, was jetzt zu einem intensiven Nachholeffekt bei den nun älteren Schulkindern führt. Den Reportergebnissen zufolge haben sich im Jahr 2019 in Bayern noch rund 33.900 Kinder mit Scharlach infiziert, im Jahr 2021 waren es nur noch 3.305. Das entspricht einem Rückgang von 90 Prozent. "Kinder sind die großen Verlierer der Corona-Pandemie. Sie litten unter vielen Entbehrungen und tragen heute die Konsequenzen für ihre Gesundheit. Eine drohende Scharlach-Welle bei Schulkindern ist nur ein Beispiel von vielen Infektionskrankheiten. Um solche negativen Effekte für die Zukunft zu vermeiden, müssen wir die richtigen Lehren aus der Pandemie ziehen", sagte Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der Barmer in Bayern. Es brauche evidenzbasierte Konzepte mit Augenmaß, die im Falle einer Pandemie als eine Art Blaupause vorliegen.
Höchststand an Infektionen mit Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Wie aus dem Report hervorgeht, sind neben Scharlach weitere klassische Kinderkrankheiten während der Pandemie seltener aufgetreten als in den Jahren zuvor. Das gelte beispielsweise für Dreitagefieber. Hier gingen die Infektionen in Bayern um rund ein Drittel zurück. "Einzig bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit gibt es einen gegenteiligen Effekt", sagt Barmer-Landeschef Alfred Kindshofer. Im vierten Quartal 2021 seien mehr als 17.200 Kinder im Freistaat von dieser Erkrankung betroffen und damit 6,5 Prozent mehr als im vierten Quartal 2019. "Eine weitere Beobachtung der Hand-Fuß-Mund-Krankheit ist wegen der besonderen Entwicklung dieser Erkrankung sinnvoll", betont Kindshofer. Das gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass sich ein Kind durchaus mehrfach anstecken könne. Diese Krankheit könne auch an Erwachsene übertragen werden. "Wir sollten genau im Blick haben, wie sich die Fallzahlen entwickeln", so Kindshofer. Es sei nicht auszuschließen, dass es einen Nachholeffekt ähnlich wie bei Scharlach geben werde.
Die Pandemie hat die Immunsysteme der Kinder ruhig gestellt
Die Pandemie war sowohl für die Kinderärztinnen und Kinderärzte in Bayern als auch bei den Patienteneltern durch eine große Verunsicherung geprägt. Am coolsten schienen eigentlich noch die Kinder mit der Situation umzugehen. Durch die Infektionsschutzmaßnahmen wurden neben Corona auch alle anderen Infektionserkrankungen vermieden. Die Folge waren weniger Vorstellungen wegen akuten Infektionen in den Arztpraxen. Hinzu kamen Verschiebungen von Vorsorge und Impfterminen, meist um Kontakte zu vermeiden. Sobald sich in den wenigen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen Kinder und Jugendliche wieder infizieren konnten, stiegen auch die normalen Infektionen durch Viren und Bakterien wieder an. "Die zu dem Zeitpunkt „ruhig gestellten“ Immunsysteme schienen daraufhin überfordert und brauchten Zeit, um sich erneut oder bei den jüngeren Kleinkindern überhaupt erstmal zu trainieren", erläutert Dr. med.Dominik A. Ewald, Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. in Bayern. Dies erkläre zum Beispiel die RSV-Welle im Herbst 2021 und 2022.
Heranwachsende auch während Pandemie gut versorgt
Der Arztreport liefert neben Erkenntnissen zur Entwicklung klassischer Kinderkrankheiten auch einen Überblick über die gesamte Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Dabei zeigt sich, dass die Heranwachsende während der Pandemie ähnlich häufig versorgt wurden wie vor Corona. So haben im Jahr 2021 von den rund 1,8 Millionen Kindern bis 14 Jahren in Bayern rund 95 Prozent mindestens einmal eine ambulante ärztliche Behandlung erhalten. Vor der Pandemie lag die Behandlungsrate mit 95,5 Prozent nur geringfügig höher. "Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass nahezu alle Kinder im Freistaat während der ersten beiden Corona-Jahre mindestens einmal jährlich bei einer Ärztin oder einem Arzt vorgestellt wurden", so Kindshofer. Die häufigsten Gründe für den Arztbesuch sei bei Kindern in Bayern die Behandlung von Atemwegserkrankungen und Virusinfekten sowie die Abklärung von unspezifischen Symptomen durch Laborbefunde gewesen. Für die ambulante ärztliche Versorgung der Kinder bis 14 Jahren wurden im Jahr 2021 bundesweit rund vier Milliarden Euro aufgewandt, ein neuer Höchstwert.