Luftaufnahme von Lindau am Bodensee mit Hafen
BARMER-Gesundheitskonferenz in Lindau

Überlebenschance hängt vom Wohnort ab

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Lindau, 17. Oktober 2024 – Ob ein Mensch einen Herz-Kreislauf-Stillstand überlebt, hängt unter anderem von dessen Wohnort ab. Das zeigt eine Analyse des BARMER-Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg). Untersucht wurde, ob im Jahr 2022 in den einzelnen Rettungsdienstbereichen Deutschlands mehr oder weniger Patientinnen und Patienten nach einem Herzstillstand ins Krankenhaus kamen, als statistisch zu erwarten war. In einigen ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern erreichten weniger Menschen als erwartet lebend eine Klinik.

"Dass die Überlebenschance bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand vom Wohnort abhängt, liegt keinesfalls an den Rettungskräften. Sie leisten Großartiges. Es sind strukturelle Mängel, die jedes Jahr bundesweit mehr als 10.000 Männer und Frauen das Leben kosten. Das darf nicht sein!", sagt der Vorstandsvorsitzende der BARMER, Prof. Dr. med. Christoph Straub, bei der heutigen Gesundheitskonferenz der Krankenkasse in Lindau.

Leichte Fälle sollten ambulant versorgt werden

Bei der BARMER-Konferenz diskutierten Expertinnen und Experten über den Rettungsdienst und die Notfallversorgung in Deutschland. Einer dieser strukturellen Mängel sei laut Straub, dass der Rettungsdienst zu oft bei leichten Fällen ausrücke, weil kein standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren greife. Dies könnte zur Folge haben, dass er dann bei einem echten Notfall nicht zur Verfügung stehe. "Der Rettungsdienst könnte massiv entlastet werden, wenn leichtere Fällen direkt in die ambulante Versorgung weitergeleitet würden. Bei weitem nicht jeder vermeintliche Notfall ist tatsächlich einer, der per Rettungstransport in die Klinik muss", sagt BARMER-Chef Straub.

Zu wenig Menschen leisten Erste Hilfe

Wer die 112 wähle, lande in einer Leitstelle, sagt Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der BARMER in Baden-Württemberg. Dort könnte eine standardisierte strukturierte Ersteinschätzung dabei helfen, leichte Fälle von einem echten Notfall zu unterscheiden, um so das unnötige Ausrücken der Rettungskräfte zu verhindern. Doch dafür fehlten bundeseinheitliche Vorgaben. Ein weiteres Problem sei, dass in Deutschland zu wenig Menschen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand Erste Hilfe leisten würden. Im Jahr 2022 habe die Laienreanimationsquote laut Registerdaten bei gut 51 Prozent gelegen. In den Niederlanden würden etwa 70 Prozent, in Schweden sogar 80 Prozent der Laien mit der Herzdruckmassage beginnen. "Wir brauchen eine bundesweite Pflicht zur telefonischen Unterstützung bei der Reanimation durch die Leitstellen. Zudem müssen Erste-Hilfe-Kenntnisse viel früher und regelmäßig vermittelt werden. Bei der Führerscheinprüfung einmalig die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs nachzuweisen, ist zu wenig", sagt Winfried Plötze in der Lindauer Inselhalle. Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Roten Kreuzes hätten 55 Prozent der Bundesbürger ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse seit zehn Jahren nicht mehr aufgefrischt. Zudem sollten generell Apps genutzt werden, über die im Notfall professionelle Ersthelfer alarmiert werden können, die sich in der Nähe befinden. In Baden-Württemberg sei eine solche First Responder-App zur Ersthelferalarmierung nur in 17 von 44, in Bayern sogar nur in 14 von 96 Stadt- und Landkreisen im Einsatz. "Durch alle diese Maßnahmen könnten wir Menschenleben retten. Doch wie so oft haben wir im Gesundheitswesen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit", sagt Plötze.

Notrufnummern verknüpfen und integrierte Notfallzentren aufbauen

Zu viele Patienten, bei denen kein dringender Behandlungsbedarf besteht, suchen nach wie vor die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf. "Hier kann durch eine bessere Patientensteuerung bereits vor dem Aufsuchen der Notaufnahme eines Krankenhauses Abhilfe geschaffen werden", betont Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der BARMER in Bayern. Dazu sei eine Informationskampagne zu den Versorgungsmöglichkeiten für die Patienten, die Zusammenlegung der Notrufnummer 112 und die Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 verbunden mit der Etablierung eines bundeseinheitlichen Ersteinschätzungsverfahrens notwendig. Ebenso bedarf es des Aufbaus Integrierter Notfallzentren als Kernelement der künftigen Notfallversorgung im Krankenhaus. Diese verantworten am Krankenhaus die Einschätzung der patientenindividuellen Behandlungsdringlichkeit durch erfahrenes ärztliches Personal. Patienten werden dort entsprechend ihres individuellen Behandlungsbedarfs entweder direkt stationär oder ambulant versorgt oder zur adäquaten Versorgung weitergeleitet.

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