Günzburg, 6. Februar 2018 – Die Barmer plädiert für die ausnahmslose Einhaltung von verbindlichen Mindestmengen und Qualitätsvorgaben für bestimmte Operationen in den Krankenhäuser. Das forderten Vertreter der Krankenkasse beim 2. Länderforum Gesundheit der Barmer Landesvertretungen Bayerns und Baden-Württembergs in Günzburg. In Deutschland gebe es zu viele Kliniken, die das ganze Versorgungsspektrum anbieten würden, von der Mandelentfernung bis zur Wirbelsäulenoperation. Zudem bestehe ein Qualitätsgefälle zwischen den Kliniken. "Nicht jedes Krankenhaus muss alles machen und die dafür notwendige Infrastruktur vorhalten. Darunter leiden die Behandlungsqualität und die Wirtschaftlichkeit", sagte Barmer-Vorstand Dr. Mani Rafii. Komplexe chirurgische Eingriffe sollten nur noch in Kliniken erbracht werden, die aufgrund hoher Fallzahlen spezialisiert sind und alle Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses bzw. einer medizinischen Fachgesellschaft erfüllen. Die Behandlung von schweren und seltenen Erkrankungen solle zukünftig ausschließlich in Kompetenzzentren erfolgen, in denen Spezialisten fachübergreifend zusammenarbeiten. "Wir müssen weg von der Klinik um die Ecke, hin zum Krankenhaus der besten Qualität", forderte Rafii.
v.l. Prof. Dr. Udo X. Kaisers, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor, Universitätsklinikum Ulm, Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer Barmer Baden-Württemberg, Dr. Mani Rafii, Vorstandsmitglied der Barmer, Manfred Lucha, MdL, Minister für Soziales und Integration, Baden-Württemberg, Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin Barmer Bayern, Dr. Peter Pick, Geschäftsführer MdS e.V.
Qualität muss bei Krankenhausplanung wichtigere Rolle spielen
"Die Qualität ist ein Kriterium, das bei der Krankenhausplanung in Baden-Württemberg in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen muss“, ergänzte der Landesgeschäftsführer der Barmer Baden-Württemberg, Winfried Plötze. Dafür seien Mindestmengen unumgänglich. Mindestmengen geben vor, wie oft ein Eingriff in einer Klinik jährlich mindestens vorgenommen werden muss. Dadurch sollen Erfahrung und Routine im Operationssaal und damit die Patientensicherheit steigen. Studien belegen ein geringeres Sterberisiko bei einer Behandlung in einem Krankenhaus, das die Mindestmengen erreicht. Ebenso zeigen Daten der Krankenkassen, dass die Kliniken die Mindestmengenvorgaben bisweilen nicht erfüllen. "Mangelnde Erfahrung kann im Operationssaal dramatische Folgen haben. Wir müssen die Patienten vor Gelegenheitschirurgie schützen. Wenn eine Klinik die Mindestmengen nicht erreicht, dann soll sie von der Behandlung ausgeschlossen werden. Dass darf aber nicht dazu führen, dass die Häuser unnötige Operationen durchführen, um die Mindestmengenvorgaben zu erfüllen", sagte Plötze.
Krankenhausbehandlung von Rückenschmerzen steigt um 47 Prozent
Während bei manchen Krankenhausbehandlungen Mindestmengen nicht erreicht werden, steigen bei anderen Eingriffen die Fallzahlen. So ist die Zahl der Krankenhausfälle aufgrund von Rückenschmerzen laut Barmer Krankenhausreport 2015 von knapp 282.000 Fällen im Jahr 2006 auf rund 415.000 Fälle im Jahr 2014 gestiegen. Bei den Bandscheibenoperationen liegt die Zuwachsrate im selben Zeitraum bei 12,2 Prozent. Andere Studien zeigen zudem regionale Unterschiede bei der stationären Versorgung auf, besonders auffällig sei dies im Grenzbereich zwischen Baden-Württemberg und Bayern. "Der Wohnort darf nicht über eine Operation an der Wirbelsäule entscheiden. Dazu müssen wir nicht nur die Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung überwinden, sondern auch Landesgrenzen", sagte Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer Bayern. Bisher mangele es bei der Versorgungsplanung an einer Abstimmung zwischen benachbarten Bundesländern.
Deutschland nur Mittelmaß
In Baden-Württemberg sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für die Kliniken im Land von rund 7,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 9,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 angestiegen. Das entspricht einem Zuwachs um 18 Prozent. Auch in Bayern ist das Ausgabenvolumen der gesetzlichen Krankenversicherung für die stationäre Versorgung kontinuierlich gestiegen. 2010 betrug es rund elf Milliarden Euro, zwischenzeitlich beläuft sich das Gesamtbudget auf rund 13,2 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs um 20 Prozent. "Die Krankenhausbehandlung in Deutschland ist nicht schlecht, aber Input und Outcome halten sich nicht die Waage. Im internationalen Vergleich schneiden wir mittelmäßig ab", sagte Winfried Plötze. Verbesserungspotenzial in der stationären Versorgung sei vorhanden. Wöhler: "Wir können die Behandlungsqualität in den Krankenhäusern zum Wohle der Patienten steigern, dafür müssen aber alle an einem Strang ziehen, Krankenkassen, Ärzte, Kliniken und die Politik."