Blut sparen - Patienten schützen!
Passau, 18. Dezember 2019 – In Bayern wurde nach Auswertungen der Barmer bei rund 546.000 Menschen ärztlicherseits eine Blutarmut (Anämie) diagnostiziert. Da die Dunkelziffer hoch ist, gehen Experten davon aus, dass tatsächlich etwa zwei Millionen Bayern betroffen sind. Betroffene sind bei Operationen, die häufig mit Blutverlust einhergehen, oft auf Blutkonserven angewiesen. "Unser aktueller Krankenhausreport 2019 zeigt auf, dass Patienten, die unter einer Blutarmut leiden und vor einer planbaren Operation nicht entsprechend behandelt wurden, schlechtere Behandlungsergebnisse aufweisen, als Patienten ohne Blutarmut. Darüber hinaus ist auch die Sterblichkeitsrate bei bestimmten Eingriffen höher", sagt Professor Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern. Beispielsweise ist die Sterblichkeitsrate nach Bypass-Operationen bei Anämie-Patienten mehr als doppelt so hoch wie bei Patienten ohne Blutarmut. Wöhler fordert ein Umdenken beim Umgang mit Blutkonserven in bayerischen Kliniken, die mit einer Stärkung des Bluthaushaltes der Patienten einhergehen müsse.
Mit Patient Blood Management (PMB) Patienten schützen
Demografiebedingt spenden immer weniger Menschen Blut. Zudem lassen sich gesundheitliche Komplikationen vermeiden, wenn auf die Gabe von Blutkonserven verzichtet werden kann, wie der Barmer Krankenhausreport aufzeigt. Um Risiken für Patientinnen und Patienten zu minimieren und Blutkonserven einzusparen, plädiert die Krankenkasse für ein konsequentes Umsetzen des Konzepts „Patient Blood Management“, kurz PBM. "Zahlreiche Bluttransfusionen sind durch dieses Behandlungskonzept vermeidbar", so Wöhler. 2017 wurden bundesweit 3,2 Millionen Blutkonserven eingesetzt, rund 506.000 davon in Bayern. Derzeit werden bei 6,1 Prozent aller Operationen im Freistaat Blutkonserven gebraucht. Nach Ansicht der Barmer könnte diese Rate deutlich gesenkt werden. Beim PMB geht es darum vor einer Operation Anämie zu erkennen und zu behandeln, Blutverluste während und nach planbaren Eingriffen zu vermeiden und Blutkonserven rational einzusetzen. Transfusionen samt Risiken werden dadurch seltener.
Mehr Informationen für Patienten
"Ob und im welchem Umfang dieses nachhaltige Behandlungskonzept in Bayern umgesetzt wird, ist nicht bekannt", bedauert Barmer-Landeschefin Wöhler. Ein zentrales Register oder anderweitige Informationsquellen für Patienten gibt es nicht. "Krankenhäuser sollten ihren PBM-Status deshalb öffentlich machen", fordert Wöhler. In Richtlinien der Bundesärztekammer sind aktuell mehrere Passagen enthalten, die im Sinne des PBM-Konzeptes sind. "Diese sind ein guter Anfang. Nun brauchen wir konkrete Vorgaben und Strukturen, wie mit Blutkonserven bei Operationen umgegangen werden sollte", sagt Wöhler. Denn Deutschland sei mit 47,7 Blutkonzentraten pro 1000 Einwohner weltweit Spitzenreiter im Verbrauch von Blutkonserven.
Hilfreich für Tausende Bayern mit Blutarmut
Wie der Barmer Krankenhausreport aufzeigt, kann „Patient Blood Management“ vor allem den Tausenden Menschen mit Blutarmut in Bayern helfen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge, sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung von Blutarmut betroffen – was rund zwei Millionen Menschen in Bayern entspricht. In zahlreichen Fällen bleibt die Blutarmut jedoch unentdeckt. Wird sie aber vor planbaren Operationen erkannt und behandelt, sind bessere Behandlungsergebnisse, kürzere Krankenhausaufenthalte, eine niedrigere Sterblichkeitsrate, geringere Kosten und ein geringerer Verbrauch an Blutkonserven die Folge. "Planbare Operationen sollten nur noch nach einer Behandlung der Blutarmut erfolgen", schlussfolgert Wöhler aus den Ergebnissen der Versorgungsforschung der Barmer. Demnach bekommen Patienten mit Blutarmut wesentlich häufiger Bluttransfusionen verabreicht als Patienten ohne. Beispielsweise haben in den Jahren 2005 bis 2016 rund 67 Prozent der Patienten mit Blutarmut bei einer Bypass-Operation am Herzen eine Transfusion erhalten. Demgegenüber stehen Patienten ohne Blutarmut, von denen im gleichen Zeitraum beim gleichen Eingriff lediglich 49 Prozent eine Bluttransfusion gegeben werden musste. Die Sterblichkeitsrate nach Bypass-Operationen liegt bei Anämie-Patienten bei 4,3 Prozent, bei Patienten ohne Blutarmut lediglich bei 1,8 Prozent.
In Deutschland gut, international schlecht
In Bayern sind im Jahr 2017 bei 6,1 Prozent aller Operationen Bluttransfusionen gegeben worden. Bayern erreicht somit die niedrigste Transfusionsrate unter den Bundesländern und liegt auch unterhalb des bundesweiten Durchschnitts von 6,6 Prozent. Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern mit 7,7 Prozent. "Jährlich sinkt die Rate um etwa 2,7 Prozent, was durchaus positiv zu sehen ist", sagt Wöhler. Von einer Annäherung an beispielsweise die Niederlande, wo der Verbrauch an Blutkonserven nur etwa halb so hoch ist, könne aber keine Rede sein. "Deutschland hat hier einiges aufzuholen, aber auch bayerische Krankenhäuser könnten deshalb durch konsequentes PBM eine Vorreiterrolle einnehmen", so die Barmer-Landeschefin.
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Blutarmut vorbeugen
Blässe, Müdigkeit und Erschöpfung sind Anzeichen einer Blutarmut. Grund für eine Anämie kann zum Beispiel eine starke Regelblutung bei Frauen sein, aber auch ein Mangel an Nährstoffen wie Vitamin B12 und Folsäure. Am häufigsten entsteht die Anämie durch Eisenmangel. Das Spurenelement spielt eine entscheidende Rolle als Baustein der Blutkörperchen. Diese Form der Krankheit lässt sich einfach behandeln: Meist genügt eine Ernährungsumstellung, bei der anfangs viel Eisen zugeführt wird, um die Depots zu füllen, und später dafür Sorge getragen, dass sich kein Mangel mehr einstellt. Eine große Menge des wichtigen Spurenelements steckt beispielsweise in Schweineleber und Austern. Vegetarier und Veganer können sich mit Hülsenfrüchten behelfen: Linsen, Erbsen und weißen Bohnen. Weitere pflanzliche Eisen-Lieferanten: Pfifferlinge und rote Bete.
Patient Blood Management
Patient Blood Management umfasst Maßnahmen für den effizienten Umgang mit Blutprodukten zur Steigerung der Patientensicherheit. Das Konzept basiert auf drei Säulen.
Säule 1: Anämie erkennen und behandeln
Zentrale Maßnahmen sind Diagnose und Behandlung einer Anämie. Damit sollte bereits im Vorfeld von planbaren Operationen mit hoher Transfusionswahrscheinlichkeit begonnen werden. Bei planbaren Eingriffen handelt es sich um Operationen, die keine Notfälle sind und um einen gewissen Zeitraum verschoben werden könnten. Die Therapie der Anämie ist dabei gemäß der Ursache zu wählen. Es sollten Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten beachtet werden.
Säule 2: Blutverlust vermeiden
Ziel ist das Minimieren von Blutverlusten bei gleichzeitigem Einsatz fremdblutsparender Maßnahmen. So kann beispielsweise vor Operationen das Blutungsrisiko abgeklärt werden, kleinere Entnahmeröhrchen verringern Blutverluste und OP-Abläufe können im Hinblick auf minimale Blutverluste optimiert werden. Während Operationen werden blutsparende chirurgische Techniken wie zum Beispiel minimalinvasive Eingriffe angewendet, blutstillende Mittel kommen zum Einsatz und es werden Maßnahmen zur Bluterhaltung, wie bspw. maschinelle Autotransfusion (Blutverluste bei OP werden aufgefangen, gewaschen und dem Patienten zurück transfundiert) umgesetzt.
Säule 3: Blutkonserven rational einsetzen
Hierbei geht es um Maßnahmen, die auf den rationalen Einsatz von Blutkonserven abzielen. Es soll ein starkes Bewusstsein für eine sorgfältige Abwägung bezüglich der Entscheidungen über Bluttransfusionen geschaffen werden. Erst wenn rationale Kriterien erfüllt sind, sollte eine Bluttransfusion verabreicht werden.
Bluttransfusionen
Wenn die Rede von einer Bluttransfusion ist, dann ist damit die Transfusion eines Erythrozytenkonzentrats gemeint, also ein Konzentrat aus roten Blutkörperchen. Ein Bestandteil der roten Blutkörperchen ist der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, ein eisenhaltiges Protein. Dieses befähigt die roten Blutkörperchen zum Transport von Sauerstoff im Blut.
Blutarmut
Eine Blutarmut, auch als Anämie bezeichnet, ist ein Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin). Die Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen ist es, Sauerstoff von der Lunge zu den verschiedenen Geweben des Körpers zu transportieren.
PBM-Netzwerk Deutschland
Das Deutsche Patient Blood Management Netzwerk bietet Kliniken aller Versorgungsstufen eine Plattform der Zusammenarbeit für das gemeinsame Ziel einer gesteigerten Patientensicherheit. Es ist das größte Netzwerk seiner Art in Deutschland. Gegründet wurde es im Jahr 2014 am Universitätsklinikum Frankfurt. Bereits drei Jahre nach Gründung haben deutschlandweit mehr als 200 Kliniken aktiv Interesse am Netzwerk gezeigt.