Therapieallergene sind speziell aufbereitete Allergene, die Allergikern als Arzneimittel bei einer Hyposensibilisierung über einen längeren Zeitraum verabreicht werden. Dadurch soll sich der Körper an das Allergen gewöhnen, um später im Idealfall gar nicht mehr auf dieses zu reagieren. Diese Therapie steht bei Allergien gegen Pollen, Hausstaubmilben und Insektengift zur Verfügung.
Bereits vor 17 Jahren stellte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einen Wildwuchs bei den auf dem Markt befindlichen Therapieallergenen fest. Damals waren 6.654 Präparate im Umlauf. Viele als nicht zugelassene Individualrezepturen, die somit nicht der Kontrolle des PEI in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit unterlagen. Das sollte sich mit der im Jahr 2008 beschlossenen Therapieallergeneverordnung (TAV) ändern. Seitdem müssen Allergene, die zur Hyposensibilisierung bei häufigen Allergien eingesetzt werden, ihre Wirksamkeit durch klinische Studien nachweisen. Eigentlich.
Klinische Studien seit 14 Jahren
Nach dem Inkrafttreten der TAV wurde nur für einen Bruchteil der mehr als 6.600 Therapieallergene ein Zulassungsantrag gestellt. "Allerdings befinden sich 14 Jahre später noch immer 49 Arzneimittel im Zulassungsverfahren, die bisher keinen Nutzennachweis erbracht haben", sagt Barmer-Landeschef Winfried Plötze. Keine Frage, klinische Studien brauchen Zeit. Und da Allergien gegen Gräser und Pollen nur saisonal auftreten und Allergene auch in verschiedenen Dosen verabreicht werden, könnte es dadurch zu einer Verzögerung kommen. Es stelle sich aber die Frage, ob einige Arzneimittelhersteller überhaupt bestrebt seien, den Nutzen ihrer Produkte nachzuweisen. "Verkehrsfähig heißt verordnungsfähig. So lange die Wirksamkeit eines Therapieallergens nicht belegt ist, so lange darf und wird es von den Ärztinnen und Ärzten bei der Hyposensibilisierung eingesetzt. Und das, obwohl es zumindest für die Behandlung von Erwachsenen vom PEI zugelassene Produkte gibt", so Plötze.
17 Vertriebsstopps in zwölf Monaten
Eine Hyposensibilisierung ist langwierig. Sie dauert mindestens drei Jahre, Erfolge machen sich erst nach Monaten bemerkbar. In dieser Zeit ist es wichtig, dass das Therapieallergen durchgängig verfügbar ist. Doch innerhalb der letzten zwölf Monaten gab es 17 Vertriebsstopps. Bundesweit sind etwa 25.000 GKV-Versicherte davon betroffen, dass ihr Therapieallergen nicht mehr auf dem Markt ist. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass bei einer beginnenden Hyposensibilisierung ein Drittel der Patientinnen und Patienten auf Präparate ohne PEI-Zulassung eingestellt werden. Um die Therapiesicherheit zu gewährleisten fordert die Barmer deshalb, dass bei einer neuen Hyposensibilisierung oder einer Umstellung der Therapie nur evidenzbasierte und zugelassene Therapieallergene eingesetzt werden.
Viele Allergiker brechen die Therapie vorzeitig ab
Die langwierige Hyposensibilisierung muss auch in beschwerdefreien Zeiten fortgeführt werden. Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten brechen ihre Therapie aber vorzeitig ab. Gut möglich, dass das Durchhaltevermögen bei einigen über den langen Behandlungszeitraum nachgelassen hat. Aber ist es nicht auch möglich, dass einige Patientinnen und Patienten das Handtuch werfen, weil sie mit einem wirkungslosen Therapieallergen behandelt wurden? "Bei einer Hyposensibilisierung geht es darum, neben Beschwerden wie brennenden Augen oder laufender Nase auch systemische Symptome zu lindern. Also solche, die den gesamten Körper betreffen. Dazu zählt Asthma genauso wie Neurodermitisschübe oder wochenlange Abgeschlagenheit", sagt Plötze. Dass dabei auch Präparate ohne evidenzbasierten Nutzen zum Einsatz kämen, sei inakzeptabel. "Im Sinne der Patientinnen und Patienten fordern wir, dass nur noch nachweislich wirksame Therapieallergene verwendet werden dürfen." Doch das PEI gibt den Herstellern noch bis zum Jahr 2026 Zeit, um ihre klinischen Studien zu beenden. Dann hat es 18 Jahre gedauert, um womöglich wirkungslose Therapieallergene aus dem Verkehr zu ziehen.