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Podiumsdiskussion: Digitalisierung in der Pflege

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Obwohl es bereits viele technische Möglichkeiten gibt, hat die Digitalisierung die Pflege bisher weniger durchdrungen als andere Lebensbereiche. Um über die Chancen und Herausforderungen der neuen Technologien zu diskutieren, hatten die Barmer und der Caritasverband Konstanz in das St. Marienhaus geladen. Egal ob alltagsunterstützende Assistenzsysteme, neue Lösungen für die Datenerfassung oder innovative Robotertechnik - in den neuen Technologien liegt ein enormes Potenzial, das es zu nutzen gilt. "Die Digitalisierung kann Arbeitsprozesse in der Pflege vereinfachen und sie kann einen Beitrag leisten, um die Lebensqualität von Pflegebedürftigen zu verbessern", so Barmer Landesgeschäftsführer Winfried Plötze. Als Beispiel nannte er das Pilotprojekt "MemoreBox". Seit über einem Jahr fördern die Barmer und das Berliner Start-up RetroBrain in zwei großen Pflegeeinrichtungen die Beweglichkeit, die mentale Leistungsfähigkeit und die soziale Interaktion der Senioren mit einer Videospielplattform. Die sogenannte MemoreBox wurde von Experten aus Wissenschaft, pflegerischer Praxis und Spielentwicklung konzipiert, um den Pflegealltag zu bereichern. Nach der Evaluation der Pilotstudie ist eine bundesweite Einführung der MemoreBox geplant. Laut Plötze brauche es mehr solcher innovativer Ideen, wichtig sei dabei, dass sie Pflegenden und Pflegebedürftigen einen Nutzen stiften. Plötze: "Der Ausgang der Forschung muss immer die tatsächliche Entwicklung in der Pflege sein." Die Staatssekretärin im Sozial- und Integrationsministerium, Bärbl Mielich, ergänzte: "Wir sind jetzt auf der spannenden Suche nach der Balance zwischen notwendiger und unersetzlicher menschlicher Zuwendung und einem sinnvollem Einsatz von moderner Technik."

Es gibt viele Möglichkeiten, doch die wenigsten sind bekannt

Dass die Digitalisierung in der Pflege noch nicht so weit vorangeschritten ist, hat mehrere Gründe. Viele der alltagsunterstützenden Technologien sind zu wenig bekannt. Zu wenige wissen, dass auch Produkte wie Tablets, Instant-Messaging-Dienste und digitale Sprachassistenten die Pflege und das Leben daheim erleichtern können. Problematisch ist auch die Trennung des Gesundheitswesens in Sektoren, allein in der Pflege wird zwischen Alten-, Kinder- und Krankenpflege unterschieden. Das erschwert den Datenaustausch, erst recht, wenn alle mit unterschiedlichen Systemen arbeiten. Zudem sind ethische und rechtliche Fragen noch ungeklärt, ebenso die Finanzierung. "Durch die Digitalisierung eines Heimes steigen die Pflegesätze, die für 40 Prozent unserer Bewohner von den Kommunen getragen werden. Die werden da nicht mitziehen und die Pflegekassen dürfen nur zahlen, was im Leistungskatalog steht", sagt der geschäftsführende Vorstand des Caritasverbandes Konstanz, Andreas Hoffmann.

Der Faktor Mensch bleibt unersetzlich

Letztendlich bedarf es auch neuer Kompetenzen bei den Pflegenden und Senioren im Umgang mit neuen Technologien, um deren Potenzial nutzen zu können. "Das entsprechende Fachwissen sollten in der generalistischen Pflegeausbildung, die im Jahr 2020 startet, vermittelt werden", so Plötze. Auf diese Weise könnte die Digitalisierung nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Attraktivität des Pflegeberufes für neue Zielgruppen erhöhen. Das Personalproblem in der Pflege werden die neuen Technologien eher nicht lösen. "Das Pflegepersonal ist sehr eng getaktet. Wenn die Digitalisierung an einer Stelle entlastet, sollte das nicht zu einer weiteren Verdichtung der Arbeit an anderer Stelle führen", sagt Prof. Christophe Kunze von der Hochschule Furtwangen und wünscht sich einen offenen Blick auf die Digitalisierung. "Sie ist weder der ultimative Heilsbringer, noch macht sie die Pflege unmenschlich."  Zumal der Mensch an einer Stelle immer unersetzlich sein wird. Denn keine Technologie kann Nähe suggerieren, wo keine vorhanden ist.

MemoreBox:
Die MemoreBox ist eine Videospiel-Plattform, die über Gesten und Körperbewegungen, die über eine Spezialkamera aufgenommen werden, verschiedene computerbasierte Trainingsprogramme (Kegeln, Briefträger und Motorrad fahren) steuert.

Beratungsstelle „Alter und Technik“:
Sie informiert im Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis über technische Hilfsmittel, mit denen eine Wohnung altersgerecht eingerichtet werden kann. Für eine individuelle Beratung werden auch Hausbesuche, eine Ausleihmöglichkeit von Hilfsmitteln und Informationen zur Bezugsquelle, Finanzierungsmöglichkeiten und Handwerker angeboten.
Zur Webseite der Beratungsstelle Alter und Technik
 
LebensPhasenHaus :
Verbundforschungsprojekt in Tübingen. Hier werden u. a. barrierefreie Wohnkonzepte, altersgerechte Assistenzsysteme und die damit einhergehenden Dienstleistungen, digitale Informations- und Kommunikationstechnologien mit einfacher Steuerungsoberfläche sowie die intelligente Vernetzung der Systeme untereinander getestet und erlebbar gemacht.
Zur Webseite des Projekts LebensPhaseHaus

Initiative Smart Home & Living BW:
Ziel der Initiative ist es, ein Innovationsnetzwerk zu schaffen, in das alle relevanten Akteure eingebunden werden sollen.
Zur Webseite Smart Home & Living BW