Konstanz, 1. März 2018 – Obwohl es bereits viele technische Möglichkeiten gibt, hat die Digitalisierung die Pflege bisher weniger durchdrungen als andere Lebensbereiche. Um über die Chancen und Herausforderungen der neuen Technologien zu diskutieren, hatte die Barmer gestern Abend in das Konstanzer St. Marienhaus geladen. "Die Digitalisierung wird auch in der Pflege zu großen Veränderungen führen", so Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg. Egal ob alltagsunterstützende Assistenzsysteme, neue Lösungen für die Datenerfassung oder innovative Robotertechnik - in den neuen Technologien liege ein enormes Potenzial, das es zu nutzen gelte. "Die Digitalisierung kann Arbeitsprozesse in der Pflege vereinfachen und sie kann ihren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen länger am Leben teilhaben, in ihren eigenen vier Wänden wohnen können und dass Pflegebedürftigkeit später eintritt." In diesem Zusammenhang verweist Plötze auf ein Pilotprojekt der Barmer. Seit über einem Jahr werden in Hamburger und Berliner Pflegeeinrichtungen die Beweglichkeit, die mentale Leistungsfähigkeit und die soziale Interaktion der Senioren mit einer Videospielplattform gefördert. Die sogenannte MemoreBox wurde von Experten aus Wissenschaft, pflegerischer Praxis und Spielentwicklung konzipiert, um den Pflegealltag zu bereichern. Nach der Evaluation der Pilotstudie ist eine bundesweite Einführung der MemoreBox geplant. Laut Plötze brauche es mehr solcher innovativer Ideen, wichtig sei dabei, dass sie Pflegenden und Pflegebedürftigen einen Nutzen stiften. Plötze: "Der Ausgang der Forschung muss immer die tatsächliche Entwicklung in der Pflege sein." Die Staatssekretärin im Sozial- und Integrationsministerium, Bärbl Mielich, ergänzte: "Wir sind jetzt auf der spannenden Suche nach der Balance zwischen notwendiger und unersetzlicher menschlicher Zuwendung und einem sinnvollem Einsatz von moderner Technik."
Es gibt viele Möglichkeiten, doch die wenigsten sind bekannt
Dass die Digitalisierung in der Pflege noch nicht so weit vorangeschritten sei, hat laut Winfried Plötze mehrere Gründe. Viele der alltagsunterstützenden Technologien seien bisher zu wenig bekannt. Zu wenige würden wissen, dass auch Produkte wie Tablets, Instant-Messanging-Dienste und digitale Sprachassistenten die Pflege und das Leben daheim erleichtern können. Problematisch sei auch die Trennung des Gesundheitswesens in Sektoren, allein in der Pflege wird zwischen Alten-, Kinder- und Krankenpflege unterschieden. Das erschwere den Datenaustausch, erst recht, wenn alle mit unterschiedlichen Systemen arbeiteten. Zudem seien ethische und rechtliche Fragen noch ungeklärt. "Wir sind neuen Technologien in Gesundheit und Pflege gegenüber sehr aufgeschlossen, das Land fördert in unterschiedlichen Ressorts und Förderlinien digitale Anwendungen, hier tun sich unglaubliche Chancen auf. Gleichzeitig werden wir das Thema aber mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß angehen und im ständigen Austausch mit Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Industrie und Pflege die bestmöglichen Lösungen sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für das Pflegepersonal entwickeln", so Mielich.
Der Faktor Mensch bleibt unersetzlich
Letztendlich bedarf es auch neuer Kompetenzen bei den Pflegenden und Senioren im Umgang mit neuen Technologien, um das Potenzial der Digitalisierung nutzen zu können. "Digitale Kompetenzen sollten in der generalistischen Pflegeausbildung, die im Jahr 2020 startet, vermittelt werden", so Plötze. Auf diese Weise könnte die Digitalisierung nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Attraktivität des Pflegeberufes für neue Zielgruppen erhöhen. Wichtig sei, dass bei der Nutzung von pflege- und alltagsunterstützenden Technologien die Werte erhalten blieben, Zuwendung und Empathie seien wichtig. "Die Digitalisierung kann die Pflege unterstützen, sie kann aber nicht den Menschen ersetzen. In der Pflege steht für uns klar ein würdevolles Altern im Mittelpunkt", sagt Bärbl Mielich. Keine Technologie könne Nähe suggerieren, wo keine vorhanden sei.