Stuttgart (01.04.2016) In Baden-Württemberg kamen im letzten Jahr weniger Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt, zu diesem Ergebnis kommt die Barmer GEK Baden-Württemberg nach Auswertung ihrer Landesdaten.
31 Prozent der Entbindungen entfielen demnach auf die "Sectio Caesarea", 2014 lag der Anteil bei rund 33 Prozent. Trotz des leichten Rückgangs kommt im Ländle also weiterhin jedes 3. Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. "Die Zahlen sind eine Momentaufnahme. Von einer Trendwende würde ich noch nicht reden", sagt Dr. Markus-Joachim Rolle, Medizinökonom und Experte der Barmer GEK für Krankenhausversorgung. "Erst recht nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Kaiserschnittrate in Deutschland Anfang der 1990er Jahre bei 15 Prozent lag."
Finanzielle Anreize sind zweitrangig
Ein Kaiserschnitt schlägt bei der Barmer GEK Baden-Württemberg mit durchschnittlich 3.300 Euro zu Buche, die natürliche Geburt mit 1.800 Euro. Dennoch ist der Anstieg der Sectio-Quote seit den 1990ern für Rolle nicht monetär getrieben. "Ein komplikationsloser Kaiserschnitt mag für die Kliniken lukrativer sein als eine vaginale Geburt, doch das ist in meinen Augen zweitrangig. Ich zähle den Kaiserschnitt nicht zu den typisch mengensensitiven Leistungen, wie etwa nicht angemessene Knieoperationen."
Ängste und Unsicherheit auf Seiten der Mütter
Vielmehr haben das Durchschnittsalter der Erstgebärenden und deren Ängste vor einer natürlichen Entbindung Einfluss auf die Entscheidung pro oder contra Kaiserschnitt. "Die Geburt scheint in unserer Gesellschaft zunehmend zu einem technischen Prozess zu werden. Daraus resultiert ein Sicherheitsdenken, mit dem Wunsch, jedes Risiko abzuwenden", erklärt Rolle. Das Risiko der Sectio sei aus ärztlicher Sicht zwar kalkulierbarer, aber ein Kaiserschnitt bleibe ein operativer Eingriff. "Das wird oft vergessen, ebenso, dass viele Babys nach einem Kaiserschnitt mit Anpassungsstörungen und Atemwegsproblemen kämpfen."
Angst vor Regress und Wissensverlust auf Seiten der Medizin
Auch die Geburtshelfer fürchteten zunehmend Komplikationen bei einer vaginalen Geburt und eine mögliche Klage aufgrund eines Behandlungsfehlers und tendierten deshalb zum Kaiserschnitt. Darüber hinaus registriert Rolle einen zunehmenden Wissensverlust. „Es gibt immer weniger versierte Mediziner und Hebammen, die ihr Wissen über die natürliche Geburt und das Handling von Risikogeburten weitergeben. Theoretisch steigt damit die Möglichkeit, im OP statt im Kreißsaal zu landen.“ Die Krankenkassen haben keine Möglichkeit, auf die Sectio-Quote Einfluss zu nehmen. „Das steht uns auch nicht zu. Unser Ansatz kann nur sein, über Risiken, Vor- und Nachteile der Entbindungsarten zu informieren.“
Ausführliche Informationen der Barmer GEK zum Thema Geburt unter: www.barmer-gek.de/s000073.