Pressemitteilungen aus Baden-Württemberg

Barmer-Arzneimittelreport 2019: Große Impflücken bei baden-württembergischen Kindern

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Stuttgart, 25. November 2019 – Die Impfquoten unter baden-württembergischen Kindern sind zu niedrig, das ist eine Erkenntnis des Barmer-Arzneimittelreports. 3,8 Prozent der zweijährigen, 3,4 Prozent der vier- und 2,5 Prozent der sechsjährigen Kinder in Baden-Württemberg waren im Jahr 2017 nicht geimpft. Das wären mehr als 9.000 Kinder ohne jeglichen Impfschutz. Lediglich 73,4 Prozent der Sechsjährigen waren gegen Windpocken geimpft und 86,2 Prozent der Kinder gegen Röteln und Mumps geimpft gewesen. Die Zweifachimpfung gegen Masern hatten nur 86,4 Prozent der baden-württembergischen Kinder im einschulungsfähigen Alter erhalten. Das ist bundesweit die zweitniedrigste Masernimpfquote in dieser Altersgruppe. Nur in Sachsen waren noch weniger Kinder gegen Masern geimpft gewesen. Insgesamt wurde bei den sechsjährigen baden-württembergischen Kindern bei keiner der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten ein Durchimpfungsgrad von 95 Prozent erreicht. Der ist aber notwendig, um auch diejenigen vor einer Infektion zu schützen, die sich nicht impfen lassen können, etwa Schwangere und Babys ("Herdenschutz").

"Die geringe Akzeptanz von Impfungen in Baden-Württemberg macht eine Ausrottung von Infektionskrankheiten wie Masern oder Röteln unmöglich. Das ist nicht nur fahrlässig gegenüber der eigenen Gesundheit, sondern auch unsolidarisch gegenüber denjenigen, die sich selbst nicht impfen lassen können und deswegen auf den Herdenschutz angewiesen sind", sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer Baden-Württemberg, Winfried Plötze, heute bei der Vorstellung des Arzneimittelreports in Stuttgart. Wie wichtig dieser Herdenschutz sei, zeige das Beispiel von Max Schönbohm aus Sersheim, der sich im Alter von sechs Monaten mit Masern infizierte und mit 19 Jahren an den Spätfolgen starb. "Mein Sohn war damals zu jung, um geimpft zu werden aber nicht zu jung, um sich mit Masern zu infizieren. Würden sich die Menschen konsequent impfen lassen, dann würde Max noch leben", sagt die Mutter des Jungen, Anke Schönbohm.

Bundestag verabschiedet Masernschutzgesetz

Damit sich Fälle wie der von Max Schönbohm nicht wiederholen, hat der Bundestag am 14. November das sogenannte Masernschutzgesetz verabschiedet. Ab dem 1. März 2020 müssen Eltern vor der Einschulung oder der Aufnahme ihres Kindes in eine Kita nachweisen, dass dieses geimpft ist. Für Kinder, die schon in die Kita oder in der Schule gehen, müsse nachträglich nachgewiesen werden, dass diese geimpft seien oder die Masern schon gehabt hätten. "Es ist wichtig, dass die Bevölkerung flächendeckend gegen Masern geimpft ist. Das nun beschlossene Masernschutzgesetz ist wichtig, um die Durchimpfungsraten weiter zu erhöhen", sagt die Leiterin des Landesgesundheitsamtes im Regierungspräsidium Stuttgart, Dr. Karlin Stark. Die Impfpflicht gelte auch für die Mitarbeiter in Kitas und Schulen, für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen sowie für Bewohner und Mitarbeiter in Unterkünften für Asylbewerber. Bei Verstößen sollen Bußgelder bis zu 2500 Euro drohen. Die Gesundheitsämter in Baden-Württemberg können die zum Nachweis des Impfstatus verpflichtete Person zu einer Beratung einladen und zu einer Vervollständigung des Impfschutzes auffordern. Zwangsweise Impfungen würden nicht durchgeführt, die Gesundheitsämter würden aber Verbote aufgrund eines mangelnden Impfschutzes umsetzen und kontrollieren.

Impfungen werden erst verschoben, dann vergessen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet Impfgegner auf Rang sieben der größten Gefahren für die Weltgesundheit. Doch sowohl Barmer-Chef Plötze als auch Dr. Karlin Stark sehen in den Impfskeptikern nicht den Hauptgrund für die schlechten Impfquoten in Baden-Württemberg. "Die strikten Impfverweigerer sind in der Minderheit. Häufiger werden die jeweiligen Krankheiten und die möglichen Folgen unterschätzt. Impfungen werden vergessen oder verschoben", so Stark. Winfried Plötze verwies auf eine Umfrage der Barmer. Demnach würden 30 Prozent der Befragten versuchen, ihren Impfstatus im Auge zu behalten, scheiterten aber im Alltagsstress. Plötze: "Unsere Umfrage zeigt, dass wir das Impfen einfacher und alltagstauglicher machen müssen. Auch, um Impflücken bei den Älteren zu schließen."

App erinnert an Impftermine und weist auf Impflücken hin

Deshalb biete die Barmer ihren Versicherten einen digitalen Impfplaner an. Die App zeige den aktuellen Impfstatus an, warne vor drohenden Lücken und erinnere an Auffrischungsimpfungen. Um die Impfquote bei Erwachsenen zu erhöhen, können sich bei der Barmer versicherte Berufstätige von ihrem Betriebsarzt impfen lassen. Möglich mache dies ein Vertrag zwischen der Barmer und der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin e.V.

Ansätze zur Erhöhung der Impfbereitschaft

Mediziner spielten bei der Erhöhung der Impfbereitschaft eine wichtige Rolle. Laut Barmer-Umfrage verlasse sich etwa ein Drittel beim Impfen auf die Aussagen eines Arztes oder einer Ärztin. Deshalb sollten die Mediziner das Thema aktiv ansprechen und auch über Impfschäden aufklären. Denn die Gefahr von Erkrankungen, die durch eine Impfung hätten vermieden werden können, übersteige das Risiko der Impfung selbst um ein Vielfaches. Ebenso könnten ein unabhängiges Gesundheitsportal und zielgerichtete Informationskampagnen dazu beitragen, die Akzeptanz von Impfungen zu erhöhen. Zudem scheine ein klar definierter Impfzeitpunkt laut Barmer-Arzneimittelreport wirksamer zu sein als ein Zeitkorridor, innerhalb dessen geimpft werden soll. So hätten Mädchen, welche zur zusätzlichen Vorsorgeuntersuchung J2 innerhalb des Barmer Kinder- und Jugendprogramms gegangen seien, eine um 43 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, vollständig gegen humane Papillomaviren (HPV) geimpft zu sein. Die Ständige Impfkommission empfehle, Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren gegen HPV zu impfen, da das Virus im Laufe der Zeit Krebs verursachen könne. Jährlich würden in Deutschland 4.600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken, der für 1.600 Todesfälle verantwortlich sei. Praktisch alle Zervixkarzinome gingen mit einer HPV-Infektion einher. Laut Barmer-Arzneimittelreport waren im Jahr 2017 47 Prozent der 12-Jährigen Mädchen in Baden-Württemberg gegen HPV geimpft.

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